Mittwoch, 10. August 2011

Child of Eden - J-Pop trifft Beat trifft LSD trifft Bewegungssteuerung

Als Mircosoft sein Kinect Projekt erstmals vorgestellt hat, müssen sie es sich so ähnlich vorgestellt haben: Eine Person steht vor dem Fernsehschirm und statt mit einem Eingabegerät wie einem Controller oder einer Fernbedienung aktiviert sie ihre Umgebung mit einfachen Handbewegungen. Was auf der großen E3-Pressekonferenz immer pompös aussieht (sehen wir von den „Football Spielern“ bei der diesjährigen PK ab) ist bisher noch nicht komplett bei den Spielern und Entwicklern angekommen. Wie so häufig versucht sich UbiSoft als eine der ersten Firmen an der neuen Technik und zu meiner Überraschung war es kein erneuerter Abklatsch von Rayman 2. Child of Eden nennt sich die neuste Idee vom Kultspiel "REZ" Entwickler und ist wirklich deutlich besser als erwartet.
Die Geschichte ist recht schnell erzählt: Ein großer Computervirus hat sich aufgemacht, das Internet zu zerstören. Damit es dazu nicht kommt, macht sich der Spieler auf vorgelegten Bahnen auf und schießt den Virus so lange kaputt, bis die Musik des Internets wieder frei ist. Klingt skurril und wie eine Aufforderung, sich alles so schnell wie möglich aus dem Interwebs zu saugen, ist aber letzten Endes nur eine Rahmenhandlung, die euch den Auftrag gibt, hemmungslos auf kleine, geometrische Figuren zu feuern, bis am Ende eines jeden Abschnitts ein großer Endgegner auf euch wartet. Die Grafik ist dabei sehr anschaulich und besticht gleichzeitig mit jeder Menge Farben. Und ich meine nicht den einfach zwölf Farben Wasserfarbenkasten, sondern die Profiausrüstung, die Bob Ross auch ein wenig neidisch gemacht hätte. Wenn das Spiel an Fahrt aufnimmt, dann sprechen wohl nicht ohne Grund andere Spieler von einem LSD ähnlichen Zustand. Ohne eigene Drogen-Erfahrungen kann ich dazu nichts sagen, aber sagen wir es so: auf einer großen Leinwand würden die Effekt im Verbund mit beatlastiger Musik sehr gut zur Geltung kommen.
Apropos beatlastige Musik: Unterlegt wird das hübsche Farbspektrum von einer beatlastigen, gleichzeitig aber auch sehr, sehr schönen Musik. Das japanische Musikprojekt "Genki Rockets", welches man bereits bei dem Action-Adventure No More Heroes für die Nintendo Wii hören konnte, gab ein paar seiner Songs zum Remix frei und die unbeschwerte, leichte Musik wirkt bei diesem Spiel genau richtig. Dies ist durchaus auch als Anspieltipp für Genki Rockets gemeint, weil das sauber produzierte und leicht eingängige Popmusik ist. Kein Witz: Heavenly Star hab ich noch heute auf meinem MP3-Player und bekomme ein leichtes Funkeln im Auge, wenn es läuft.

Was unterscheidet nun Child of Eden von all den anderen Spielen, bei denen man im Takt Dinge zerstören muss? Es ist, wie eingangs erwähnt, die Steuerung. Der Spieler selbst ist das Fadenkreuz. Da es bei Kinect keinen Controller mehr gibt, ist man dazu angehalten, selbst die Waffe zu sein. Die Kamera erkennt die einzelnen Bewegungen der Arme und feuert somit die Geschosse auf die Gegner ab. Dies geschieht auf zwei Art und Weisen: Der linke Arm schießt die kleinen Geschosse ab und der rechte die großen Bomben, allerdings niemals beides gleichzeitig, oder man schießt beide Waffen mit einem Arm ab und wechselt sie mit einem gekonnten und hörbaren Klatschen, z.B. auf den Oberschenkel. Ja, man kann auch mit blauen Flecken aus diesem Spiel hinaus gehen. Für mich war die zweite Variante ein wenig besser spielbar, da sich die Kamera sonst erst wieder auf den anderen Arm einstellen musste und dies in brenzligen Situationen, wenn zu viele Gegner um einen herum sind, schon einmal den Bildschirmtod bedeuten konnte.
Anfangs ist diese Steuerung wirklich ungewohnt. Für Spieler, die jahrelang nur mit Controllern zu tun hatten, wirkt die Eingabe durch eine Armbewegung befremdlich und sie kostet wertvolle Zeit. In den Anfangsminuten bekommt man das Gefühl, dass die Steuerung hinterher hinkt, weil die abgefeuerten Geschosse nicht dahin fliegen, wo man mit dem Arm hinzeigt. Je länger man sich damit allerdings auseinandersetzt, desto mehr geht die Steuerung im wahrsten Sinne des Wortes in Fleisch und Blut über. Wer bei Spielen also über keinen langen Atem verfügt, der sollte sich die Anschaffung doppelt überlegen. Mit der Zeit geht einfach alles besser und die kurze Verzögerung des Zielkreuzes ist nicht mehr merkbar. Zur Beruhigung kann man sagen, dass die Bewegungssteuerung ohne Probleme funktioniert, nur einer kleinen Eingewöhnungszeit bedarf. Jedoch hat die neue Steuerungsform einen großen Haken: Man bekommt keinerlei Rückmeldung, ob man gerade getroffen wurde. Zwar wird dies visuell deutlich gemacht, indem sich das Bild ähnlich wie bei Shootern rot färbt und die Energieanzeige schrumpft, aber bei all dem Farbenwirrwarr fällt das nur bedingt auf und man steht plötzlich vor einem Game Over-Schriftzug. Die direkte Rückmeldung, wie man es seit Jahren von Controllern mit Vibrationsfunktion gewohnt ist, fällt komplett weg und das ist mittlerweile ein schmerzhafter Verlust.
Child of Eden geht als einer der ersten größeren "Kinect only"-Titel ins Rennen und kann durchaus von sich behaupten, im Ziel anzukommen. Es macht Spaß, bei der Musik seine Arme durch den Raum zu führen, so den Highscore zu knacken und mit einem Farbspektakel der Extraklasse belohnt zu werden. Wer der Kinect-Steuerung gegenüber aufgeschlossen ist, der kommt hier durchaus auf seine Kosten, wird so ein wenig Zukunftsmusik betreiben. So ähnlich muss sich Tom Cruise in "Minority Report" vorgekommen sein, als er in der Luft eine Tastatur bediente. Wer allerdings keinerlei Bezug zu Kinect hat und auch keinen aufbauen möchte, für den wird Child of Eden nun auch nicht unbedingt der Grund sein, sich Kinect anzuschaffen.

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