Sonntag, 13. März 2011

Fallout: New Vegas

Fallout – das ist eine Rollenspielreihe, angesiedelt in einer durch einen Nuklearkrieg verwüsteten, post-apokalyptischen Welt, die ab Mitte der 1990er Jahre durch den amerikanischen Videospiel-Publisher „Interplay“ entwickelt wurde. Zwei Spiele veröffentlichte die Firma in den Jahren 1997 und 1998 und schuf sich damit ein Renommee in der Videospielszene. Doch dann wurde es still um die Reihe, ein dritter, geplanter Teil erschien nicht und so gaben die Fans allmählich die Hoffnung auf. Auch der Aufkauf der Lizenz durch Bethesda Softworks im Jahr 2004 gab zunächst wenig Anlass zur Freude, denn immerhin dauerte es noch vier Jahre bis ein dritter Teil der Fallout-Reihe in den Läden stand.

Doch das Warten hatte sich schließlich gelohnt: Mit „Fallout 3“ gelang Bethesda eine fulminante Mischung aus Ego-Shooter und Rollenspiel, die zu Recht von der Fachpresse mit sehr positiven Kritiken bedacht wurde. Der Erfolg und die positive Resonanz veranlassten Bethesda dazu, das Entwicklerstudio Obsidian Entertainment mit der zügigen Entwicklung eines Nachfolgers. Diese Entscheidung Bethesdas ist insofern bemerkenswert als dass Obsidian aus den Black Isles Studios hervorgegangenen war, jener Tochterfirma von Interplay, die maßgeblich an der Entwicklung der ersten beiden „Fallout“-Spiele beteiligt war. Unter der Beteiligung bereits früherer Mitarbeiter an der Spielreihe fand nun im Herbst 2010 das vierte, mit „Fallout: New Vegas“ benannte Spiel der Reihe seinen Weg in die Regale der Kaufhäuser.

Zeitlich ist „Fallout: New Vegas“ knapp vier Jahre nach den Ereignissen in „Fallout 3“ angesiedelt und stellt keine direkte Fortsetzung der drei Vorgänger dar. Der Spieler spielt einen Kurier, der einen Platinum-Chip nach New Vegas (der post-apokalyptischen Version von Las Vegas) bringen soll, dabei aber jedoch von einem Bandenchef überfallen und in den Kopf geschossen wird. Das Spiel beginnt mit dem Aufwachen in einer Arztpraxis, wobei sich der Charakter des Spielers nicht mehr an den Ablauf oder die Hintergründe des Überfalls erinnern kann. Diese zu erforschen, ist eine der Möglichkeiten, die sich dem Spieler ab diesem Punkt bieten. Denn ähnlich wie bereits „Fallout 3“ ist „Fallout: New Vegas“ als Sandbox-Game gestaltet, d.h. der Spieler kann sich frei in der Welt des Spiels bewegen und die zahlreichen Orte in beliebiger Reihenfolge erkunden.

Dieses Prinzip des freien Umherlaufens und Missionen in selbst gewählter Abfolge zu erfüllen, wurde in dem nun vorliegenden Spiel auf eine unterhaltsame Spitze getrieben, denn während es im dritten Teil noch eine Hauptgeschichte gab, die man irgendwann weiterspielen musste, gibt es nun keine eindeutige Handlung mehr. Lediglich Beginn und Ende sind fest vorgegeben (wobei man am Ende auf verschiedenen Seiten stehen kann), der gesamte Spielverlauf zwischen diesen beiden Polen ist abhängig von den Entscheidungen des Spielers, davon, welche Aufgabe er wann entdeckt, wann erfüllt und ob er diese überhaupt angeht.

Dazu kommt, dass es in der Welt von „Fallout: New Vegas“ zahlreiche rivalisierende Gruppen gibt, die einem Aufträge anbieten. Entscheidet man sich für den Auftrag einer bestimmten Gruppe, gewinnt man bei dieser an Ansehen, fällt aber zeitgleich bei den rivalisierenden Fraktionen in Ungnade und kann schließlich auch von einigen Gruppen für vogelfrei erklärt werden. So gesehen ist das Spiel ein Lehrstück in Sachen Diplomatie und Taktik: Man weiß als Spieler nicht welche Wirkung die eigenen Entscheidungen auf zukünftige Ereignisse haben werden und muss so im Einzelfall abwägen, wie man sich verhalten sollte. Dazu passt, dass das Spiel trotz seiner Ego-Shooter-Anteile (auf dem Weg durch die Wüste begegnet einem manch gar höllisches Getier und auch an anderen Stellen muss man sich seinen Weg frei schießen), einem die „Rambo“-Methode verweigert: Anders nämlich als in Bethesdas „Fallout 3“ hat sich Obsidian dieses Mal deutlich stärker an „Fallout 2“ orientiert und die wirklich überragenden Waffen und Rüstungen rar gesät.

Zwar hilft einem auch dieses Mal wieder das „Vault-Tec Assisted Targeting System”, kurz “V.A.T.S.”, bei dem man das Spiel in einer Kampfsituation kurz anhalten, einen Gegner anvisieren und dann zielgenauer treffen kann, doch insgesamt stellen sich die Kämpfe in “Fallout: New Vegas” weitaus schwieriger dar, sodass man den direkten Konfrontationen eher aus dem Weg geht. “Fallout: New Vegas” ist damit in seiner (außerhalb Deutschlands) ungeschnittenen Fassung ein exzellentes Beispiel dafür, wie brutale Spiele mit umherfliegenden Körperteilen dennoch einen didaktischen Wert haben können: Die Fähigkeit zur Argumentation (und zur Verkleidung) hilft einem dabei, prekäre Situationen einfacher und besser zu meistern als der Einsatz von Gewalt.

In Sachen Grafik zeigt sich im direkten Vergleich mit „Fallout 3“ das die grafischen Verbesserungen eher marginal sind. Der größte Unterschied liegt in der Farbstimmung: War das in Washington spielende „Fallout 3“ eher in grünen und bläulichen Tönen gehalten, dominieren nun die Sandfarben der Mojave-Wüste. Angesichts vergleichbarer Spiele jüngeren Datums kann man das kritisieren, andererseits behält sich die „Fallout“-Reihe dadurch aber auch eine gewisse unverwechselbare Ästhetik. Das einfach zu erlernende Gameplay des Vorgängers ist unverändert übernommen worden und dürfte somit nicht nur Fans, sondern auch Einsteiger erfreuen. Die Spielzeit variiert je nachdem wie viel man als Spieler von der Welt entdecken will, für welche Seite man sich entscheidet und wie viele Missionen man erfüllen will. Im Test kamen wir auf eine Gesamtspielzeit von knapp 24 Stunden, was schon für ein exzellentes Preis-Leistungsverhältnis spricht.

Erschienen ist das Spiel für PC, X-Box und PS3, wobei – wie immer bei Spielen mit Shooter-Anteil – die PC-Version zu empfehlen ist. Mit Maus und Tastatur lässt sich ein Charakter im schnellen Kampf eben besser steuern als mit dem Controller. Wer des Englischen mächtig ist, der sollte überdies nach der EU-Version Ausschau halten, für die nämlich nicht nur spricht, dass sie ungeschnitten ist, sondern die eben auch die besseren Sprecher bietet. Zwar ist die deutsche Synchronisation durchaus gelungen, aber wenn die Sprecher Ron Perlman, Kris Kristofferson, Matthew Perry und Danny Trejo heißen, dann sollte man sich eher die Originalversion zu Gemüte führen. Neben der Standardversion für die drei Plattformen gibt es „Fallout: New Vegas“ auch noch in einer schick gestalteten „Collector’s Edition“, die neben den Pokerchips der im Spiel vorkommenden Casinos auch noch den Platinum-Chip, ein Comic, ein Kartenspiel und eine Making-of-DVD bietet.

Fazit: Angesichts eines so großen Wurfs wie „Fallout 3“ und den daraus resultierenden Erwartungen an den Nachfolger, wäre es eigentlich nur logisch gewesen, dass „Fallout: New Vegas“ auf ganzer Linie enttäuscht. Und ja, stellenweise hätte man sicherlich auch einiges besser machen können. Einige bis zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nicht ausgebesserte Bugs vermiesen gelegentlich genauso den Spielgenuss, wie die teilweise etwas dummen Gegner und die stellenweise etwas überholt wirkende Grafik. Dennoch ist „Fallout: New Vegas“ eines der besten Spiele des Jahres: Das Fehlen einer eindeutigen Narrative erzeugt eine ungeahnte Spannung, die Atmosphäre ist dicht und wechselt gekonnt zwischen heiteren, tragischen und gruseligen Momenten und das Parteiensystem fordert den Spieler und sein taktisches Geschick. Auch die lange Spielzeit – gerade im Vergleich mit 5-Stunden-Shootern wie „Medal of Honor“ – spricht für „Fallout: New Vegas“, denn hier bekommt man wirklich was für sein Geld. Alles in allem eine klare Kaufempfehlung!

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