Montag, 14. März 2011

Vanquish - Gefahr im Anzug

Vanquish (besiegen, überwinden) ist das neue Spiel von Platinum Games, die ziemlich genau vor einem Jahr mit Bayonetta einen überdrehten Action-Überraschungshit geliefert haben. Im Gegensatz zu den teils völlig absurden, wunderbar übertriebenen Szenerien von Bayonetta nimmt sich der Shooter Vanquish allerdings als eher klassische Sci-Fi-Kost aus. In einer womöglich nicht allzu fernen Zukunft leidet die Erde unter massiver Überbevölkerung, die zum Teil auf Weltraumkolonien ausgelagert wird. In Russland ermöglichen es entstehende soziale Unruhen extremistischen Rebellen, die Macht an sich zu reißen. Und die haben nichts besseres zu tun, als sich einer orbitalen Mikrowellenkanone zu bemächtigen und im Vorspann des Spiels San Francisco einzudampfen.
Zum Glück gibt es die (tatsächlich existierende) Defense Advanced Research Projects Agency, kurz DARPA, eine Behörde, die besonders für militärisch nutzbare Grundlagenforschung zuständig ist. In Vanquish ist ihre neueste Errungenschaft ein Kampfanzug, der den Träger nicht nur gut vor vielen konventionellen Angriffen schützt, sondern ihm zugleich für begrenzte Zeit übermenschliche Geschwindigkeit verleiht. In diesem Anzug steckt der kettenrauchende DARPA-Agent Sam Gideon, der, alles andere als ein Schreibtischhengst, zusammen mit einer Gruppe Marines von der US-Präsidentin ins All geschickt wird, um die gefährliche Raumstation zurück zu erobern, bevor die Russen auch noch New York aufwärmen.

So weit, so gut – Was Vanquish offenkundig von anderen Shootern unterscheiden soll, ist der Kampfanzug und das durch ihn ermöglichte Hochgeschwindigkeitsgleiten sowie die Zeitlupeneffekte. Leider hat man all das anderswo schon einmal - und meist auch besser – gesehen. Insbesondere der Edelshooter Crysis bekommt die Simulation eines High-Tech-Kampfanzugs irgendwie überzeugender hin, nicht zuletzt deshalb, weil man in Crysis springen kann – in Vanquish nicht. Die ganze Nummer mit dem Übermenschen im Kampfanzug wird gleich weit weniger glaubwürdig, wenn ebendieser Übermensch auch um kleine Hindernisse herumlaufen muss (ab und an ist es zwar möglich, aus der Deckung hinter einem Objekt über dieses zu springen, eine gesonderte Sprungfunktion bietet Vanquish aber nicht). Die Zeitlupe ist ebenfalls ein nettes Feature, haut einen angesichts ihrer fast zehnjährigen Geschichte als Videospielmechanik heutzutage nicht mehr vom Hocker. Vom Anzug abgesehen bietet Vanquish solide, wenn auch insgesamt vielleicht etwas zu kurze Shooter-Kost. Man ballert sich durch insgesamt fünf Kapitel mit mehreren Untermissionen und hat Zugriff auf ein Arsenal von acht Waffen sowie zwei verschiedene Granaten-Typen. Darunter befindet sich Shooter-Standardkost wie diverse Maschinengewehre ebenso wie ausgefallenere Waffen wie ein Multi-Ziel-Laser oder eine Knarre, die tödliche Disks (Tron, anyone?) abfeuert. Alle Kanonen lassen sich auch im Nahkampf den Gegnern um die Ohren hauen und haben dort jeweils unterschiedliche Effekte, das findet man aber nur durch Ausprobieren heraus. Wirklich notwendig sind aus der gesamten Auswahl allerdings nur zwei oder drei Standardwaffen, mit denen sich problemlos das gesamte Spiel bestreiten lässt. Sams Arsenal lässt sich auch durch ein etwas obskures System aufwerten – es liegen dauernd neue Waffen auf dem Boden, sammelt man dabei eine ein, die man schon besitzt, füllt sich automatisch ihre Munition auf. Schleppt man die Waffe bereits mit voller Munition mit sich herum, bekommt der Schießprügel einen Erfahrungszuwachs, der sich mit der Zeit in größeren Magazinen oder mehr Durchschlagskraft niederschlägt.

Die Gegner, die einem Vanquish vor die Nase setzt, sind fast ausschließlich böse, rote Russenroboter und Drohnen. Glücklicherweise versieht die russische Spitzentechnologie der Zukunft ihre militärischen Erzeugnisse mit deutlich rot leuchtenden Schwachpunkten – trifft man einige Male an dieser Stelle ins Schwarze, gehen für die Blechkameraden schnell die Lichter aus. Dies gilt auch für fast alle Bosse – hier hätten sich die Designer von Platinum Games allerdings keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie ein oder zwei Bosse mehr entworfen hätten, die Begegnungen wiederholen sich nämlich bereits nach kurzer Zeit und selbst der finale Boss ist nur eine leicht aufgemodelte Dopplung eines früheren Gegners. Die grafische Aufmachung der Kämpfe und des Rests des Spiels ist dagegen sehr ansehnlich, durch ständige Explosionen und Schusswechsel bekommt man schnell das Gefühl, mittendrin im Kampfgeschehen zu sein. Auch die Animationen von Vanquish sind detailliert und flüssig, besonders unter diesen Bedingungen schmerzt die geringe Gegnervielfalt etwas – denn was da ist, sieht so schick aus, dass man sich mehr gewünscht hätte. Einzig der sehr sterile Sci-Fi-Look von Vanquish ist Geschmackssache, ich mag normalerweise die Zukunftsvisionen lieber, in denen ab und zu auch mal ein Fleck zu sehen ist.

Bleibt also noch, ein paar Worte zur Geschichte des Spiels zu verlieren. Das lässt sich aber wirklich kurz machen, denn bei der Vermittlung seiner (ohnehin nicht sonderlich einfallsreichen) Geschichte versagt Vanquish wirklich auf der ganzen Linie. Alles, was man über die Welt und die Charaktere erfährt, steht in kurzen Textabschnitten, die einem das Spiel zu Überbrückung der Ladezeiten präsentiert. Die wiederum sind erfreulich kurz, man hat also kaum eine Chance, die Textstücke auch wirklich zu lesen. Das Spiel nutzt seine Geschichte also sprichwörtlich als Pausenfüller, entsprechend blass bleiben die wenigen beteiligten Charaktere und entsprechend gleichgültig ist man auch gegenüber Sam, den man, wenn nach geschätzten sechs Spielstunden der Abspann über den Bildschirm flimmert, kein Stück besser kennt (oder gar mag) als zu Beginn des Spiels. Mit der Hexe Bayonetta haben die Jungs von Platinum Games ja bewiesen, dass sie fesselnde, wenn auch völlig absurde Charaktere entwerfen können – Warum das Ganze diesmal so gescheitert ist, ist mir schleierhaft.
Unterm Strich bleibt das heutzutage etwas bittere Fazit, dass man sich fragen muss, wer Vanquish eigentlich spielen soll. Das Spiel ist beileibe nicht wirklich schlecht, allerdings auch mitnichten ein ganz großer Wurf oder auch nur ein Geheimtipp (wie die letzte Produktion des Studios). Und damit ist Vanquish womöglich verdammt, zwischen den vielen hochklassigen Veröffentlichungen, die der Videospielmarkt mittlerweile fast jeden Monat zu bieten hat, unterzugehen. Eine klare Empfehlung lässt sich jedenfalls nicht aussprechen, einzig beinharte Shooter-Fans mit großer Liebe zu Sci-Fi-Settings, die bereits länger auf dem Trockenen sitzen, können bedenkenlos zugreifen. Alle anderen sollten auf jeden Fall zuerst in einige Videos oder die Demo reinschnuppern und sich ihre (zumeist schlicht besseren) Alternativen vergegenwärtigen.


Artikel verfasst von Felix

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen